Mittwoch, 30. Juni 2010

(4) INTER- UND INTRA-CONNECTION

Taiji ist die "mutter von yin und yang" (Taiji-Klassiker). Das subjekt des taijiquan ist darum bekanntlich auch nicht das isolierte, atomisierte "ich" - nicht einmal in deinen solo-übungen und -formen. Wenn Zheng Manqing empfahl: "... übe die taiji-form als ob jemand da wäre" und "übe tuishou als ob niemand da wäre...", so heißt das: Im fokus steht die dynamisch mit ihrer um- und mitwelt in vielfältigen interaktionen, bezügen und kräftespielen verbundene personalität. Dadurch weist push hands in seiner bedeutung auch weit über das martialische hinaus ins zivile und macht es zu einem experimentierfeld für angewandte lebenskunst.

Mit KONTAKT und VERBINDUNG sind jene qualitäten des körper-seins angesprochen, ohne welche die legendäre "power ohne anstrengung" der inneren kampfkünste reine illusion wäre. Der schlüssel hierfür ist "das komplexe Moment der Ausweitung des persönlichen Empfindungsvermögens in den Raum hinein" (Volkmar Glasser, Eutonie).



Der "innere" kampfkünstler unterscheide sich vom anhänger "äußerer" kampfkunst nicht etwa durch einen introvertierten umgang mit seiner "energie". Peter Ralston hat dieses missverständnis vieler taijiler zurecht kritisiert: "In my opinion and observation, T'ai Chi people tend to keep their energy too small, introverted, and restrictive..." (Cheng Hsin - The Art of Effortless Power).

Vielmehr macht der mit den mitteln "innerer kraft" kämpfende  den näheren außenraum zum binnenraum -  durch ausweitung seiner empfindungsachtsamkeit (oder seines "qi"). Durch ausweitung seines "körperschemas" verbindet er sich mit seinem inter-aktions-partner zu einer dynamischen einheit und integriert dessen körper und aktion durch "einverleibung".

Sind kontakt und verbindung in geeigneter weise hergestellt, funktionieren die beiden körper analog dem prinzip der KOMMUNIZIERENDEN RÖHREN (Wilhelm Mertens, mündliche mitteilung).

Selbstverständlich setzt diese fähigkeit zum einverleiben des anderen voraus, dass du in deinem eigenen leib "zuhause" bist. Wie solltest du sonst überhaupt zu den füßen deines gegenspielers spüren können, wenn du deine eigenen nicht fühlen kannst? Mit seiner balance spielen, wenn du selbst nicht im gleichgewicht bist? Also letztlich kann der kontakt zu deinem interaktions-partner und die verbindung mit seinem ganzen körper nur so gut sein wie der verbund in deinem eigenen körper.

Allerdings ist es auch wieder nicht so, dass du es erst in dir drinnen auf die reihe kriegen müsstest oder könntest. Volkmar Glaser schreibt dazu: "Es ist eine ausgesprochene Fehlauffassung heutiger kontaktschwacher und problembeladener Menschen, die da glauben, sie müssten erst zu sich selbst gekommen sein, um auf die Welt zugehen zu können. Bedauerlicherweise wird diese Meinung auch noch von manchen Lehrern der Lebensschulung geschürt ... Das 'Selbst' findet man nicht, solange man in sich auf Suche geht, doch wird man sich... seiner selbst 'inne', wenn man sich ganzheitlich der Welt im Transsensus [=über-sich-hinaus-spüren] überantwortet." (Glaser, a.a.O.).

PS: Übrigends sehr empfehlenswert:
http://www.innere-kraft-64.de/


(c) otmar sauer 30. juni 2010

(3) EINE EXPERIMENTELLE ÜBUNGSROUTINE ENTWICKELN

In den letzten 6 monaten habe ich allein und v.a. gemeinsam mit meinen übungspartnern vielfältige erfahrungen mit den solo- und partner-übungen sammeln können, die Chris Vogel in seinem eBook THE ART OF USING ENERGY AS TAUGHT THROUGH PUSH HANDS präsentiert. Die fortschritte auf unserer taiji-reise sind beachtlich und wir sind nach wie vor sehr begeistert von diesem "reisebegleiter" und seiner "werkzeugkiste".


Das eBook von Chris Vogel kriegst du über folgenden URL:
Falls dein englisch nicht so gut ist, kannst du - gegen vorlage einer rechnungskopie über den bezug des buches - von mir eine deutsche arbeitsübersetzung des gesamten textes erhalten. Kostenlos!


Mit großer regelmäßigkeit treffen wir uns vorwiegend in einer 3er-gruppe. Diese 3er-konstellation hat sich als sehr hilfreich für unser üben erwiesen. Und zwar nicht nur, weil man sich alle paar minuten ausruhen und das eben gerade erfahrene etwas verdauen und reflektieren kann. Durch die häufigen perspektivwechsel zwischen teilnahme und beobachtung kann man sich gegenseitig wichtige (coaching-) informationen geben,  und die eminent wichtige qualität der teilnehmenden beobachtung entwickeln. Du lernst dabei inter-aktion als ganzes zu lesen, was einem in-der-aktion immer wieder leicht zu entgleiten droht.

Zuallererst konnten wir durch die gemeinsame arbeit mit Chris Vogels eBook eine EXPERIMENTELLE ÜBUNGSROUTINE entwickeln. Dadurch ist ein referenzrahmen entstanden, in dem sich ein feines netz aus früheren und aktuellen erfahrungen mit verschiedenen (auch divergierenden) ansätzen, stilen und "philosophien" im push hands weben lässt.

Erst jüngst konnten wir das in einem sehr eindrucksvollen und beziehungsreichen workshop mit Wilhelm Mertens zum thema "KONTAKT & VERBINDUNG" erfahren. Keine frage, durch die arbeit mit Chris Vogels trainings-instrumenten konnten wir den gehalt von Wilhelms unterrichten viel besser erfassen und den lernertrag deutlich steigern.

Wenn du mit einem sehr grobmaschigen netz auf den wochenmarkt gehst, werden die feineren früchte durchfallen und du wirst nur mit grobzeug heimkommen. Mit einem feinmaschigen netz erfasst du auch das subtilere. Das netz deiner erfahrungen webst du selber.



Soweit zum kontext der folgenden BLOG-beiträge.
Indes werde ich hier weder kommuniqués über die arbeit unserer 3er-gruppe, noch ungefiltert aus Chris Vogels eBook oder aus den push hands-workshops mit Wilhelm Mertens publizieren, sondern ausschließlich meine eigenen erfahrungen und gedanken damit.
Und für die (!) fällt es mir leichter, die verantwortung zu übernehmen - irrtümer nicht ausgeschlossen.

PS: Übrigends sehr empfehlenswert:
http://www.innere-kraft-64.de/newsletter_innere_kampfkuenste.htm

(c) otmar sauer 30. juni 2010